1. Kapitel.
Zwischen den Zeilen.
Ich gebe dir mein Wort. ist mehr als ein illustrierter Gedichtband. Jedes Kapitel hat ein innewohnendes Anliegen, einen Daseinsgrund, eine Medizin. Zwischen den Zeilen jedes Gedichts schlummert ein tieferes Verstehen.
Das 1. Kapitel wurde geboren, um die Heilung und Integration von Entwicklungstrauma zu unterstützen.
Um das sanft abzuholen, was die illustrierten Gedichte berührt, aufgebrochen und hochgewirbelt haben, führe ich, Pierre, dich hier zwischen die Zeilen und zeige dir was dort an Verborgenem lauert:
Einblicke in meine Geschichte* und meinen persönlichen Umgang mit Trauma.
Artikel und Videos sowie Buchtipps und Webseiten, die Worte und Bilder finden, die dir oder Menschen in deinem privaten oder beruflichen Umfeld im Umgang mit Entwicklungstrauma helfen können.
Expertinnen und Experten, die einen unschätzbaren Beitrag zur Verständlichkeit, Erforschung und Integration von Entwicklungstrauma leisten.
Therapieansätze, die die körperliche Komponente von Trauma genauso ernstnehmen, wie auch die Langsamkeit, in der tiefgreifende Heilung erst möglich wird.
*Ich werde hier an keiner Stelle von tatsächlichen traumatischen Erlebnissen berichten, da das sowohl für mich als auch für eventuell andere Betroffene retraumtisierende Erinnerungen hochholen kann. Mehr zur gesunden Sprachlosigkeit findest du unten zwischen den Zeilen.
Ich kann mein Trauma nicht
in Worte fassen.
Nicht weil's mir an den Worten mangelt,
sondern weil dann die ewig gleichen Sätze
anfangen, an meinem Ohr zu knabbern.Ich kann meinen Traum kaum
in Worte fassen.
Nicht weil's mir an den Worten mangelt,
sondern weil dann die ewig gleichen Sätze
aufhören, an meinem Ohr zu knabbern.I. Gesunde und hinderliche Sprachlosigkeit.
Sprachlosigkeit - ein Phänomen, das ich lange Zeit sehr stark mit meiner Traumatisierung in Verbindung brachte – und als unangenehm empfand. Mittlerweile verstehe ich, dass es im Zusammenhang mit Entwicklungstrauma tatsächlich so etwas wie eine logische, notwendige, ja sogar gesunde Sprachlosigkeit gibt. Ein selbstschützendes Schweigen. Und dann gibt es die zweifelsfrei hinderliche Sprachlosigkeit, die vor allem auf fehlendem Vokabular und Wissen bzw. unerkannten Zusammenhängen basiert. Beiden Sprachlosigkeiten möchte ich mich hier widmen.
Ewiges Schweigen.
Sommer. Die Allgäuer Berg- und Wiesenlandschaft zieht an mir vorbei, während ich im Zug mit Sophie telefoniere. Schmerz in meiner Stimme.
.......Am Abend zuvor: Kerzenschein. Sophie, ein Dutzend anderer junger Erwachsener´und ich lauschten einander im Kreis. Wir sprachen über Liebe, über Nähe, über Sexualität. Als sich der Moment dafür ergab, sprach auch ich. Seit Monaten trug ich die Sehnsucht in mir, von meinem Erleben bezüglich Nähe teilen zu können. Von meinem Nicht-Erleben. Ich wollte Worte dafür finden, warum ich so zurückhaltend bin, was Berührung angeht. Warum sich selbst die meisten Umarmungen für mich unangenehm anfühlen. Ich wollte auch von dem erzählen, wovon ich ewig schwieg: die mich traumatisierten Erlebnisse. Der Sehnsucht des Schweigebrechens lag ein zartes Versprechen inne. Ein Versprechen von genommenem Gewicht, von schmelzender Verkrampfung, von tänzelnden stolpernden Schritten in Richtung Berührbarkeit.
.......Als ich fertig gesprochen hatte, passierte nichts dergleichen. In mir war es starr und taub, der Raum im Außen still. Mein Blick blieb - wie auch schon beim Erzählen - auf den Boden fixiert. Ich schmeckte meine Fragilität und schämte mich, meine Schwere in den Kreis getragen zu haben. Vereinzelte Reaktionen auf meine Worte, dann Themenwechsel.
.......Im anschließenden Massagekreis - fest am Rücken berührt zu werden ist in Ordnung - rollten mir geräuschlose Tränen über meine Wangen. Hier trafen sie sich. Mein urtiefstes Bedürfnis nach und meine urtiefste Angst vor Nähe und Geborgenheit.
......."Ich dachte, ich müsste es einfach nur aussprechen, damit es seine Macht über mich verliert. Aber irgendwie hat es das schlimmer gemacht. Jetzt weiß ich noch weniger, wie ich das jemals heilen kann." sage ich am Handy zu Sophie, meine Augen den Verläufen der Berge folgend, meine Füße vom sanften Vibrieren des Zuges erfasst. "Ich höre da ein Überfordertsein und dich hilflos Fühlen, wie du darüber sprechen kannst ohne weder von deinen Erfahrungen abgetrennt zu sein noch dich mit ihnen zu überidentifizieren und sie dich überwälitgen zu lassen." sagt sie und lauscht meinem nachspürendem Atem. "Ja. Und ich bin es satt, dem so ausgeliefert zu sein. Ich würd's gern verstehen endlich."
.......In ein paar Stunden würde ich bei Stefan am Bodensee ankommen. Und wieder ausgeliefert sein. Und dann verstehen. Endlich.
.
Das Ende der hinderlichen Sprachlosigkeit.
23:30 Uhr. Bodensee. Vorfreudig müde steige ich aus dem Zug, erblicke Stefan, um uns die angenehme Kühle der kleinstädtischen Sommernachtluft. Wiedersehenswärme zwischen uns. Für eine gute halbe Stunde laufen wir, neben uns das mondspiegelnde Uferwasser, hin zu dem Haus, in dem Stefan und seine schwangere Partnerin jetzt wohnen. Hin zu dem Haus, wo meine hinderliche Sprachlosigkeit enden würde.
.......Den Morgen habe ich für mich alleine. Auch das weitläufige Dachzimmer, den Seeblick, das pralle Bücherregal. Mein Herz noch wund, der Schmerz um meine anhaltende Hilflosigkeit noch pochend, kräftezehrend, steige ich aus dem Bett und meine Füße suchen Kontakt zum Boden. Halt gefunden, führen sie mich ohne Umwege zum Bücherregal. Schon seit meiner nächtlichen Ankunft vermute ich in Stefans Sammlung das nächste Puzzlestück im Gesamtbild meiner Traumaheilung. Als gäbe es einen verborgenen Grund dafür, dass mein Besuch bei ihm ausgerechnet in diese wortsuchende Zeit fällt und dafür, dass das Bücherregal und ich uns ganz allein dieses Zimmer hier teilen.
......."LaPierre". Mein Vorname auf einem der Buchrücken zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. "Entwicklungstrauma heilen". umsomehr. Ein Blick auf das Cover reicht. Das ist es. Das Ende meiner Sprachlosigkeit.
.......Für wahrscheinlich zwei Stunden - ich achte nicht auf die Zeit - springe ich von Kapitel zu Kapitel, von Erkennungsmoment zu Erkennungsmoment. NARM, Somatic Experiencing, Pendeln, Bedürfnisstruktur, Erden, Orientieren. Mein Vokabular füllt sich. Ich kann mein Trauma in Worte fassen.
Ich schicke Sophie ein Handyfoto vom Buchcover und Klappentext.
."Ach krass dieses Buch liebe ich! Sofern man so ein Buch lieben kann. Ich hab das von Corinna bekommen vor nem halben Jahr, ja und seit dem begleitet es mich. Richtig richtig spannend. Wie kam das zu dir?"
Videos und weitere Bücher für das Ende der hinderlichen Sprachlosigkeit.
- Was ist Trauma?
- Was unterscheidet ein Entwicklungstrauma von einem Schocktrauma?
- Wie fühlt es sich körperlich, emotional und seelisch an?
- Was passiert im eigenen Nervensystem, wenn die Erinnerung an ein traumatisches Ereignis ausgelöst wird?
- Wieso fällt es mit einer Traumatisierung so schwer in Kontakt mit sich selbst und einem anderen zu gehen und zu bleiben?
Die Einführung.
Dami Charf.
Woran erkenne ich ein Trauma?Dami Charf arbeitet als Psychotherapeutin und hat Somatische Emotionale Integration® (SEI) für Personen mit Traumatisierungen entwickelt. In diesem Video spricht sie über...
- Die Auswirkungen eines Entwicklungstraumas auf die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren.
- Der Unterschied zwischen einem schrecklicken und einem traumatisierenden Ereignis.
- Gesunde Sprachlosigkeit und was passiert, wenn traumatisierte Menschen von nicht-integrierten traumatisierenden Erlebnissen erzählen.
Dami Charf bietet verschiedene Online-Kurse rund um Trauma, Traumatherapie und weitere Felder persönlicher Transformation an.
Auf ihrer Webseite und ihrem Youtubekanal beleuchtet Dami Charf eine beeindruckende Bandbreite an traumaverwandten Themen.
Die Reflektion.
Thomas Hübl.
Trauma in der Selbstbeziehung und in zwischenmenschenlichen Beziehungen.
Thomas Hübl ist tätig als spiritueller Lehrer, Mystiker und Referent für transgenerationales Trauma. In diesem Video vom Celebrate Life Festival spricht er über...
- Warum wir erst über Beziehung sprechen sollten, bevor wir über Trauma reden können.
- Warum Trauma kein Ding ist, das wir haben können, sondern ein Prozess, der sich vollzieht.
- Die Schwierigkeit für traumatisierte Menschen, gleichzeitig mit sich und ihrem Gegenüber in Verbindung zu bleiben.
- Möglichkeiten, das Aufrechterhalten der Verbindung zu üben.
Thomas Hübl bietet das zwei-jährige Timeless Wisdom Training, das neben der therapeutischen Ebene von persönlichen und kollektiven Trauma auch die mystische und spirituelle Perspektive miteinbezieht.
Ich gebe dir mein Wort. 2024.
Alle gemalten und skizzierten Portraits auf dieser Seite
stammen von Susanne Schulz (www.abbilderei.de)